Am meisten stehen wir uns selbst mit unseren unbewussten Annahmen im Weg: den sogenannten Glaubenssätzen.
Wie sie entstehen, warum wir uns mit den weniger förderlichen Glaubenssätzen im Laufe der Zeit leider zunehmend selbst frustrieren und was du dafür tun kannst, um sie aufzuspüren – das erfährst du in diesem Blogartikel.
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1. In den ersten Lebensjahren legen Menschen das Fundament für ihre Glaubenssätze
Wir alle verfügen über eine Menge von Glaubenssätzen. Es handelt sich dabei um Annahmen über uns selbst, über andere und über die Welt. Zum Beispiel: ich bin nicht gut genug, andere sind besser und diese Welt ist anstrengend. Solcher Art von Glaubenssätzen sind wir uns meistens nicht bewusst. Sie liegen ganz tief im Kern, weil sie grundlegend in den ersten Lebensjahren entstanden sind. Seitdem verstärken und vermehren sie sich durch unsere eigene selektive Wahrnehmung andauernd selbst.
Bedürfnisse, die nicht erfüllt wurden, führen zu hinderlichen Annahmen
Es geht nicht darum, dass unsere Eltern als Bezugspersonen einen bösen Willen gehabt haben müssen, dass wir solche Glaubenssätze entwickelt haben. Aber es ist so, dass bestimmte Grundbedürfnisse nicht ausreichend erfüllt wurden oder erfüllt werden konnten. Die Intensität dieser Grundbedürfnisse ist dabei von Bedürfnis zu Bedürfnis unterschiedlich – aber auch von Kind zu Kind und sogar von Geschwisterkind zu Geschwisterkind. Auch wenn Eltern recht feinfühlig sind, so sind sie doch in der Regel nicht perfekt. Am Ende entscheidet immer das Kind, ob es sich ausreichend versorgt gefühlt hat. Und weil manche Kinder ausgeprägtere Bedürfnisse haben, kann das Eltern ziemlich erschöpfen.
Wenn du aus deiner Sicht als Kind nicht die Menge an Zuwendung bekommen hast, die du dir gewünscht hättest, dann hast du persönlich genommen – mit dem Denkvermögen, über das du zu diesem Zeitpunkt damals verfügt hast, Du hast dann daraus geschlussfolgert, dass du wohl nicht liebenswürdig genug bist, nicht wichtig genug oder nicht gut genug.
Kinder versuchen herauszufinden, mit welchem Verhalten sie die Zuwendung bekommen, die sie sich wünschen
In der Transaktionsanalyse geht man davon aus, dass Kinder ab etwa drei Jahren beschließen, bestimmte Verhaltensweisen zu übertreiben. Das machen sie, sobald sie herausgefunden haben, mit welchem Verhalten sie mehr Zuwendung erhalten können. Thaibi Kahler hat 5 wesentliche Verhaltensweisen identifiziert, die bei den meisten Erwachsenen später noch beobachtet werden können. Sie legen sie besonders dann an den Tag, wenn sie Stress erleben – weil sie früher gelernt haben, dass sich das bewährt. Im Erwachsenenalter ist es allerdings hilfreich, solche Stressmuster zu erkennen: denn wir stehen uns mit ihnen selbst im Weg. Und damit erreichen wir das, was wir eigentlich anstreben, so leider erst recht nicht.
Falls du mehr über diese Stressdynamiken erfahren möchtest, findest du das in den nächsten Blogartikeln heraus. Ich werde die 5 Antreiber darin genauer beschreiben und erklären, wie du einen guten Umgang mit ihnen finden kannst.
2. So entstehen unbewusste Annahmen über uns selbst, über andere und die Welt
Oben hatte ich ja schon erwähnt: im tiefsten Inneren, da glauben die meisten Menschen noch nicht ausreichend an sich selbst.
Destruktive Glaubenssätze verstärken sich nach ihrer Entstehung
Vielleicht hast du als Kind zu verstehen bekommen, dass du nicht weinen sollst – nach dem Motto “Ich mag es nicht, wenn du weinst”. Dann hast du vielleicht gedacht: wenn ich meine Gefühle verberge und mich stark zeige, dann werde ich lieber gemocht. Mit dieser Annahme hast du dann ziemlich sicher weitere Erfahrungen gemacht, die dich dann immer wieder darin bestätigt haben, dass es vorteilhaft ist, Kummer zu verbergen. Wenn du mal geweint hast, hat evlt. ein Trainer zu dir gesagt “Ein Indianer kennt keinen Schmerz”. Dann hat dich das darin bestätigt, dass von dir Stärke verlangt wird – und deshalb hast du dich noch mehr bemüht, Stärke zu zeigen. Ein Lehrer hat dich vielleicht gelobt, wenn du dich in einer anspruchsvollen Situation von deiner besonders tapferen Seite gezeigt hast. Das hat dich wiederum ebenfalls in dem Glauben bestärkt, deine echten Gefühle unterdrücken zu müssen und dich stark zu zeigen. Es ist aber nicht von Vorteil, den Fokus weiterhin unbewusst auf solche Gedanken gerichtet zu haben.
Ein Glaubenssatz aus jüngster Kindheit hat etwas Zerstörerisches an sich, weil er das Fundament für weitere destruktive Glaubenssätze bildet:
- Z.B. ich bin weniger wert, wenn ich Schwäche zeige.
- ich muss es besser wissen, als andere, weil ich sonst schwach bin
- Andere sind nicht so wertvoll, wenn sie Schwäche zeigen
- Ich muss immer dafür sorgen, dass der Laden läuft usw.
Menschen schaden durch ihre unbewussten Annahmen nicht nur sich selbst, sondern auch anderen
Uns selbst schaden wir, weil wir – wie man in diesem Beispiel merkt – beginnen, eigene Gefühle zu unterdrücken. Das führt auf Dauer dazu, dass wie sie anstauen. Irgendwann explodieren wir, indem wir z.B. einen Wutanfall bekommen. Oder wir implodieren. Das würde bedeuten, dass wir krank werden. Experten beschreiben, dass so typischer Weise zum Beispiel Autoimmunkrankheiten entstehen. Klassischerweise bekommen Menschen sie ungefähr etwa mit 40 Jahren: wenn sie bereits eine Weile gelernt haben, ihre Bedürfnisse erfolgreich zu verdrängen – weil sie schlicht nicht wissen, was sie anders machen sollen.
Wir schaden aber auch anderen Menschen mit solchen Glaubenssätzen: wir neigen nämlich dazu, uns in manchen Situationen entweder unnötig klein zu machen, oder uns zu überhöhen. Das allerdings erschwert eine wertschätzende, ehrliche, respektvolle und lösungsorientierte Kommunikation auf Augenhöhe.
Kinder sind besonders anfällig für destruktive Glaubenssätze
Falls du auch Kinder hast, hilft es dir eventuell zu wissen, dass sie für destruktive Glaubenssätze besonders anfällig sind. Der Grund dafür ist, dass sie bis zu einem Alter von 5 Jahren fast noch gar nicht analytisch denken können. Sie verarbeiten Wahrnehmungen nicht bewusst, sondern unterbewusst, und zwar in einem tranceartigem Zustand. Das ist so, weil die Frequenz ihrer Gehirnaktivitäten noch nicht so hoch ist, wie bei Erwachsenen. Kinder nehmen Reize über den Thetazustand auf. Das ist ein Zustand, den Erwachsene nutzen, wenn sie Menschen hypnotisieren, denn auf dieser Ebene sind Menschen besonders beeinflussbar. Sätze wie: “deine Schwester ist viel klüger als du” oder “stell dich nicht so an, sonst wird das nichts mit dir” können weitreichende Folgen haben. Denn Kinder nehmen solche beschämenden Aussagen auf und halten sie für bare Münze. Sie sortieren sie ein, wie Akten in einen Schrank. Im Laufe ihre Lebens greifen sie dann immer wieder darauf zurück – ohne sie zu hinterfragen.
3. Erfahrungen aus der Vergangenheit formen das menschliche Gehirn
Auch die neurowissenschaftliche Perspektive ist spannend zu verstehen, denn sie macht Mut.
Kinder bilden von Klein auf sogenannte Synapsen, wenn sie etwas Neues dazulernen
Vielleicht hast du selbst gerade kleine Kinder und stellst fest, dass die manchmal plötzlich wieder weinerlich werden? Vielleicht können sie Dinge nicht mehr so gut, die in den letzten Wochen schon viel besser funktioniert haben? Das kann daran liegen, dass dein Kind gerade einen Entwicklungsschub durchmacht. Bei einem Entwicklungsschub wächst das Gehirn und es entstehen plötzlich viele neue Synapsen. Das bedeutet, dass Kinder plötzlich eine erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit haben, die ihnen Angst macht. Leider bringt es Eltern oft eher zum Verzweifeln, weil sie es als Rückschritt empfinden. In Wirklichkeit ist aber das Gegenteil der Fall: deshalb tun Eltern ihren Kindern wahrhaftig etwas Gutes, wenn sie versuchen dafür Mitgefühl aufzubringen.
Synapsen entstehen dadurch, dass unsere Nervenzellen an andere Nerven-, Sinnes-, Muskel- oder Drüsenzellen das kommunizieren, was wir in Form von Reizen im Außen wahrnehmen. Mit Synapsen werden in unserem Gehirn quasi so etwas wie Leitungen gelegt, auf denen Erinnerungen gespeichert werden. Und diese Erinnerung stehen im Zusammenhang mit unserem Denken, Fühlen und Handeln.
Ein Beispiel
Ich kann z.B. früher mal beschlossen haben, mich stark und tapfer verhalten zu wollen. Eventuell habe ich nämlich immer wieder erfahren, dass ich dann die Form von Zuwendung erhalte, dir mir gute Gefühle bringt. Und wenn sich dieser Glaube (so wie ich das oben erklärt habe) auf Dauer zunehmend selbst verstärkt, dann bedeutet das, dass diese Synapsen im Gehirn richtig gut genutzt und deshalb auch besonders stark ausgebaut werden. Als Erwachsene reagieren wir dann meistens nur noch unbewusst. Unser Gehirn arbeitet quasi die meiste Zeit von alleine, weil es auf diese Weise Energie spart. Das ist deshalb so, weil wir am Tag ca. 1 Billion Reize wahrnehmen und gar nicht die Kapazität haben, alle Reize einzeln interpretieren und darauf angemessen reagieren zu können. Wissenschaftler belegen, dass wir am Tag etwa zwischen 80 und wohl teilweise bis zu 97% unbewusst handeln.
4. Die Neuroplastizität beweist, dass die Form des menschlichen Gehirns veränderbar ist
Wenn du über dich hinauswachsen und dich gesünder führen lernen möchtest, dann geht es im Großen und Ganzen darum, wesentliche destruktive Glaubenssätze aus diesen 80-97% des unbewussten Denkens herauszufiltern. So ist zumindest die Idee, wenn du einen besseren Umgang mit deinen Herausforderungen im Alltag finden können möchtest. Durch bewusstes anderes Denken oder Verhalten können neue Synapsen gebahnt werden. Und wenn du durch neue Verhaltensweisen besser Erfahrungen machst, dann werden auf diesen Synapsen angenehmere Gefühle gespeichert. Das heißt, du wirst aufgrund der positiven Erfahrung dieses Verhalten wieder anwenden wollen und somit diese Synapsen weiter festigen. Das neue Denken und Verhalten wird dir mit der Zeit dann immer leichter fallen. Ich selbst sehe es als eine Art Repertoireerweiterung: dir stehen in Zukunft dann nämlich Handlungsoptionen zur Verfügung, weil dir mehrere Möglichkeit zu denken oder zu handeln vertraut sind.
5. Glaubenssätze zu überwinden erfordert Mut – und stärkt das Selbstvertrauen
Wenn du destruktiven Mustern auf die Spur kommst und sie verändern möchtest, dann geht das immer mit einem Gefühl von Angst einher. Menschen, die sagen, sie sind nicht ängstlich, bewegen sich wahrscheinlich innerhalb ihrer Komfortzone. Sie haben wahrscheinlich eher weniger Selbstvertrauen. Denn attraktive Ziele, durch die wir über uns selbst hinauswachsen und etwas dazulernen können, liegen immer außerhalb der Komfortzone. Sie zu verlassen erfordert echten Mut. Es braucht das Vertrauen in sich selbst, Herausforderungen die außerhalb der Komfortzone liegen, meistern zu können. Und diesen Mut bringt man leichter auf, wenn man aus Erfahrung weiß, dass sich das Verlassen einer Komfortzone in der Vergangenheit schon bewährt hat. Es geht darum, sich der Angst bewusst zu werden und dann mutig durch sie hindurch zu gehen.
Immer wieder die Komfortzone zu verlassen ist deshalb so wichtig, weil wir so unser Selbstvertrauen ausbauen
Gerade für Frauen ist das wichtig zu wissen, weil sie tendenziell eher weniger Selbstvertrauen mitbringen als Männer. Wenn dich das interessiert, dem empfehle ich dir eines meiner absoluten Lieblingsbücher: “Das neue Selbstbewusstsein” von Katty Kay und Claire Shipman. Die beiden Polit-Journalistinnen interviewten 5 Jahre lang unterschiedliche Wissenschaftler:innen. Dabei ging es ihnen darum, Antworten auf unterschiedliche Fragen zu finden: zum Beispiel wo Selbstvertrauen herkommt, ob wir alle gleich viel davon haben und ob und wie man es weiter ausbauen kann.
Selbstreflexion ermöglicht es dir, der Mensch zu werden, der du eigentlich sein willst
Den Prozess der Auseinandersetzung mit sich selbst nannte der Schweizer Psychiater und Begründer der Analytischen Psychologie C.G. Jung “Individuation”. Das bedeutet kurz gesagt, dass du tatsächlich nach einer gewissen Lebenserfahrung mit entsprechender Selbstreflexion doch noch die Möglichkeit hast der Mensch zu werden, der du selbst tatsächlich sein möchtest: wenn du das Potential, das in dir schlummert, beginnst frei zu schälen. Wenn dir das gelingt, wirst du mehr und mehr ein erfülltes Leben führen können. Und eines Tages wirst du so einen Satz sagen können wie: ich bin dankbar, dass ich mir selbst treu geblieben bin und dass ich nicht bereuen muss, nicht dem gefolgt zu sein, von dem ich eigentlich immer gespürt habe, dass es mir wirklich wichtig gewesen wäre.